Eigeninitiative, Mut, Kreativität – genau diese Eigenschaften sind es, die innovative Unternehmen gerade bei jungen Mitarbeitern suchen. Viele Studiengänge fördern jedoch eher Auswendiglernen als eigenständiges Denken. Dagegen stemmt sich die Hochschule Bremerhaven – und lässt ihre Studenten Start-ups gründen.
Eine lebendige Innovationskultur ist einer der zentralen Erfolgsfaktoren für Unternehmen, die langfristig in ihrer Branche bestehen wollen. Mit einem strukturierten Vorschlagswesen, gesonderten Innovationsbudgets und speziellen Projektteams wollen Betriebe ihre Mitarbeiter zu „Unternehmer im Unternehmen“ machen.
Damit diese Strategie gelingt, braucht es nicht zuletzt junge Mitarbeiter, die bisherige Gewissheiten hinterfragen und eigenständig Alternativen entwickeln. Im theoretischen Grau des universitären Alltags, zwischen vollen Hörsälen und Multiple-Choice-Klausuren, gehen solche Qualitäten jedoch allzu oft unter.
Aus diesem Grund wagt die Hochschule Bremerhaven nun ein besonderes Experiment: Der in diesem Jahr erstmals angebotene Studiengang „Gründung, Führung, Innovation“ verzichtet komplett auf klassische Vorlesungen und lässt seine Studenten stattdessen ihr eigenes Start-up gründen. Dies geschieht nicht allein, sondern in relativ großen Gruppen zu je ca. 15 Studenten.
Für die Studenten bildet die Arbeit an ihrem Unternehmen fortan die Basis ihres Studiums. Geschäftsmodell entwickeln, Finanzen planen, Buchhaltung organisieren und Kunden gewinnen – innerhalb von drei Jahren lernen die Studenten alle Facetten des unternehmerischen Alltags kennen. Unterstützung bietet die Hochschule in Form von Workshops und Impulsvorträgen. Zudem stehen einige Hochschulprofessoren, Alumnis und Start-Up-Gründer den Gruppen als Team-Coaches zur Seite.
Durch seinen radikalen Praxisbezug bricht der Bremerhavener Studiengang mit den bisherigen Konventionen der deutschen Bildungslandschaft und ist damit selbst eine Innovation. Das Konzept hierzu stammt ursprünglich aus Finnland und wurde in den vergangenen Jahren bereits in weiteren Ländern adaptiert.
Bei allem Wohlwollen gegenüber dem Studiengang, drängt sich allerdings die Frage nach dem unternehmerischen Risiko auf. Dieses sei, so der Studiengangsleiter Michael Vogel im Video, verschwindend gering. Denn erstens gründeten die Studenten Genossenschaften mit entsprechender Haftungsbeschränkung und zweitens sei die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung von Prototypen oder ähnlichem nicht gestattet. Verträge, die mit potenziellen Kunden geschlossen werden, würden zudem vor der Unterzeichnung gemeinsam mit den Coaches entsprechend geprüft.
Offen bleibt hingegen, woher das Startkapital für die jeweiligen Unternehmensgründungen stammen soll. Die Hochschule schreibt hierzu lediglich: „Startkapital brauchst du nicht mitzubringen. Das verdient ihr mit Aufträgen für Kunden, die ihr aber erst gewinnen müsst.“ Wie diese Kunden ohne entsprechende Marketingausgaben gewonnen werden sollen, bleibt unklar. Unerwähnt bleiben auch die Kosten, die in der Regel bei der Entwicklung von Produkten oder Dienstleistungen anfallen.
Wie jede andere Innovation muss auch der Bremerhavener Studiengang seine Praxistauglichkeit noch unter Beweis stellen. Dennoch erscheint das Konzept vielversprechend. Denn insbesondere auf Innovation ausgerichtete Unternehmen benötigen Mitarbeiter, die neben Fachwissen auch über die nötige Portion Kreativität und Eigeninitiative verfügen. Aus diesem Grund gewinnen auch direkte Kooperationen zwischen Mittelständlern und Universitäten, wie sie zahlreiche TOP 100-Unternehmen eingehen, immer mehr an Bedeutung.
- Welche Start-ups Sie in diesem Jahr auf dem Schirm haben sollten
Pascal Simon ist Redaktionsleiter des TOP 100-Blogs und PR-Berater bei compamedia
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